Die Besonderheiten des Jugendstrafrechts - ein kurzer Überblick

Das Jugendstrafrecht ist ein Teilgebiet des Strafprozessrechts. Im Vergleich zum "normalen" Strafverfahren gegen Erwachsene gibt es eine ganze Reihe von Unterschieden. Die prozessualen Besonderheiten des Jugendstrafrechts sind im Jugendgerichtsgesetz (JGG) geregelt, welches beim Vorliegen seines Anwendungsbereichs gegenüber der Strafprozessordnung (StPO) vorrangig heranzuziehen ist. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über Anwendungsbereich, Zielsetzung und Besonderheiten des deutschen Jugendstrafrechts gegeben werden.

 

1. Anwendungsbereich

 

Gemäß § 1 Abs. 1 JGG gilt das Jugendgerichtsgesetz, wenn ein Jugendlicher oder Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist. Nach § 1 Abs. 2 JGG ist Jugendlicher, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alt ist. Als Heranwachsender gilt, wer zur Tatzeit zwar schon mindestens achtzehn aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist. Bei Strafverfahren gegen Jugendliche ist das JGG immer anzuwenden. Wenn ein Heranwachsender einer Straftat beschuldigt wird, gilt § 105 JGG. Nach dieser Vorschrift ist Jugendstrafrecht anzuwenden, wenn der Heranwachsende bei Tatbegehung nach seiner sittlichen oder geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand oder es sich nach Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt. Sofern nicht mindestens eine dieser beiden Alternativen bejaht werden kann, ist das "normale" Erwachsenenstrafrecht anzuwenden. Nach § 106 JGG kann es für Heranwachsende aber auch bei Anwendung des allgemeinen Strafrechts Milderungen geben.

 

2. Zielsetzung

 

Es ist kriminologisch anerkannt, dass Jugendkriminalität oftmals der Ausdruck eines entwicklungstypischen und episodenhaften Verhaltens ist. Daher steht bei der Bestrafung von Jugendlichen der Erziehungsgedanke im Vordergrund. Nach § 2 JGG ist das Ziel des Jugendstrafrechts, erneuten Straftaten von Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenzuwirken. Nach Möglichkeit sollen pädagogisch wirkende Sanktionen verhängt werden, um auf die Jugendlichen oder Heranwachsenden einzuwirken. Es darf erst zu einem Freiheitsentzug kommen, wenn sämtliche milderen Mittel ausgeschöpft sind oder als nicht mehr ausreichend anzusehen sind. In der Dauer sind jedoch auch die Haftstrafen im Jugendstrafrecht im Vergleich zum allgemeinen Strafrecht eingeschränkt und die Verhängung von Untersuchungshaft nur unter strikteren Voraussetzungen möglich.

 

3. Besonderheiten

 

Im Erwachsenenstrafrecht ist man bei der Verurteilung zumeist auf die Verhängung von Freiheitsstrafe und bzw. oder Geldstrafe beschränkt. Das Jugendstrafrecht kennt hingegen eine ganze Reihe weiterer Sanktionen. Hierbei spielen vor allem Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel und die Jugendstrafe eine Rolle. Bei den Erziehungsmaßregeln sind vor allem Weisungen gemäß § 10 JGG relevant. Unter Weisungen versteht man Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. Zuchtmittel sind die Verwarnung (§ 14 JGG), die Erteilung von Auflagen (§ 15 JGG) und der Jugendarrest (§ 16 JGG). Der Jugendarrest kann als Freizeitarrest, Kurzarrest oder Dauerarrest verhängt werden, wobei hier der Dauerarrest mit einem Spielraum von einer bis zu vier Wochen die längste Dauer erreicht. Die Jugendstrafe nach §§ 17ff. JGG kann zwischen sechs Monaten und fünf Jahren liegen. Sofern es sich bei der zu verurteilenden Tat um ein Verbrechen handelt, dessen Höchstmaß nach allgemeinem Strafrecht bei über zehn Jahren liegt, darf eine Jugendstrafe maximal zehn Jahre betragen. 

 

Das Jugendstrafrecht kennt aber nach §§ 45, 47 JGG auch zahlreiche Möglichkeiten einer Verfahrenseinstellung. Eine Besonderheit des Jugendstrafrechts liegt darin, dass auch Verfahrenseinstellungen nach den Vorschriften des JGG genauso wie Verurteilungen in das sogenannte Erziehungsregister eingetragen werden. Es gibt aber auch grundsätzlich die Möglichkeit, das Verfahren nach den §§ 153ff. StPO einzustellen, was die vorteilhafte Folge hat, dass eine Eintragung in das Erziehungsregister unterbleibt. Sobald der Betroffene das 24. Lebensjahr vollendet hat, werden die Eintragungen in das Erziehungsregister gelöscht.

 

Eine weitere Besonderheit des Jugendstrafrechts sind die Rechtsmittel. Zwar ist es wie im allgemeinen Strafrecht auch möglich, ein Urteil mit den Rechtsmitteln der Berufung oder der Revision anzugreifen. Allerdings ist der Umfang im Jugendstrafrecht stark eingeschränkt. Nach § 55 Abs. 1 JGG ist kein Rechtsmitteln gegen Entscheidungen zulässig, die sich gegen Art, Umfang und Auswahl der Sanktion unterhalb der Jugendstrafe richten. Ein Rechtsmittel ist hier lediglich möglich, wenn die Entscheidung hinsichtlich der Schuldfrage angegriffen werden soll. Zudem kann man gemäß § 55 Abs. 2 JGG gegen Urteile des Jugendrichters oder des Jugendschöffengerichts nur einmal Rechtsmittel einlegen. Wird Berufung eingelegt, ist die Einlegung der Revision nicht mehr möglich und umgekehrt. Diese Beschränkung der Verfahrensrechte von Jugendlichen und Heranwachsenden ist meines Erachtens im Übrigen nicht gerechtfertigt, da sie eine willkürliche Schlechterstellung gegenüber Erwachsenen darstellt.

 

4. Fazit

 

Aufgrund seiner Besonderheiten bietet das Jugendstrafrecht eine ganze Reihe von Möglichkeiten, auf Jugendliche und Heranwachsende erzieherisch einzuwirken, ohne eine Strafe verhängen zu müssen. Mit Hilfe eines versierten Verteidigers können oftmals gute und sachgerechte Ergebnisse erzielt werden. Aufgrund meiner Erfahrungen im Jugendstrafrecht stehe ich hierfür gerne als Verteidiger zur Verfügung.